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Anleitung für das Elterngespräch


Soziale Integration

Allgemeines

Der Bereich der „Sozialen Integration“ dreht sich um den Aufbau, Erhalt und Ausbau sozialer Beziehungen des Geschwisterkindes zu Gleichaltrigen, aber auch zu erwachsenen Bezugspersonen außerhalb der Familie. Im Fragebogen wird nach Beziehungen zu Klassenkameraden und Freunden gefragt.

Im Gespräch mit den Eltern

Probleme in diesem Bereich können verschiedene Ursachen haben. Hat das Geschwisterkind viele Aufgaben im Zusammenhang mit der Versorgung des kranken/behinderten Kindes? Fehlt ihm dadurch die Zeit, sich mit Freunden zu treffen oder seinen Interessen nachzugehen? Fehlt den Eltern die Zeit oder das Geld, um dem gesunden Geschwister die Teilnahme an Freizeitaktivitäten zu ermöglichen?

Kinder reagieren sehr unterschiedlich auf die z. T. hohe emotionale Belastung durch die Erkrankung oder Behinderung ihres Geschwisters. Manche ziehen sich zurück oder versuchen sich stark angepasst zu verhalten, andere fallen durch aggressives oder oppositionelles Verhalten auf. Eltern sollten sehr sensibel versuchen, Gründe für Verhaltensänderungen oder -auffälligkeiten beim Geschwisterkind herauszufinden. Sind die Eltern zeitlich sehr eingebunden in die Versorgung des kranken/behinderten Kindes, sollten Personen im erweiterten Familienkreis oder im sozialen Umfeld gefunden werden, von denen das Kind emotional aufgefangen wird.

Eventuell braucht das Kind auch Unterstützung und Hilfe, wenn es darum geht, mit Reaktionen des sozialen Umfelds (z. B. in der Familie oder Nachbarschaft) auf die Erkrankung oder Behinderung umzugehen.

Wo findet die Familie Hilfe?

Viele Sportvereine oder Anbieter von Freizeitaktivitäten für Kindern gewähren auf Nachfrage Beitragsermäßigung oder finanzielle Vergünstigungen. Fahrgemeinschaften oder -dienste können eine Lösung für „Transportprobleme“ sein. Wichtig für Geschwister ist der Austausch unter Gleichbetroffenen. Es gibt Ansprechpartner und Angebote speziell für Geschwister von kranken oder behinderten Kindern (Adressen unter www.initiative-familienbande.de). Der Austausch mit anderen betroffenen Familien in Selbsthilfegruppen oder Patientenorganisationen kann ebenfalls emotionale Entlastung und praktische Hilfestellung bieten (Adressen unter www.nakos.de).


Geschwisterbeziehung

Allgemeines

Der Bereich der „Geschwisterbeziehung“ beschreibt zum einen die emotionale Beziehung und Bindung zwischen den Geschwistern. Zum anderen gehören zu diesem Bereich auch praktische Erfahrungen im Alltag, wie gemeinsame Aktivitäten, der Umgang der Geschwister miteinander und der interaktive Umgang mit anderen Menschen. Gefühle wie Peinlichkeit bezogen auf das kranke oder behinderte Geschwister spielen dabei eine besondere Rolle. Insgesamt gibt der Bereich die aktuelle Nähe bzw. Distanz zwischen den Geschwistern wieder. Bei Auffälligkeiten in diesem Bereich ist abzuklären, wodurch Probleme oder Konflikte zustande kommen.

Im Gespräch mit den Eltern

Die Geschwisterbeziehung gehört zu den längsten Beziehungen zwischen Menschen. So wie jeder Mensch sich im Laufe seines Lebens entwickelt und verändert, durchläuft gerade auch die Beziehung zwischen Geschwistern verschiedene Phasen. Hochs und Tiefs, Zeiten der Nähe und Verbundenheit sowie der Abgrenzung und Distanz wechseln sich ab. In der Geschwisterbeziehung erleben die Kinder die unterschiedlichsten und teilweise widersprüchliche Gefühle: Rivalität und Eifersucht bezüglich der Aufmerksamkeit der Eltern auf der einen Seite, Zusammenhalten und voneinander Lernen auf der anderen Seite. Fürsorge, Rücksichtnahme und Verantwortung gegenüber dem kranken oder behinderten Geschwister existieren neben Genervtsein und Ärger über das Mehr an Aufmerksamkeit und Zuwendung, die dieses bekommt. Konflikte gehören wie bei jeder zwischenmenschlichen Beziehung dazu. Ein behindertes oder schwerkrankes Geschwister zu haben ist sicher etwas Besonderes – aber es bleibt immer ein Geschwister.

Unterstützen Sie die Eltern dabei, ihre Kinder dazu zu ermutigen, ihre ganz eigene Geschwisterbeziehung miteinander zu gestalten. Gemeinsame Aktivitäten, bei denen die Geschwister zusammen Schönes erleben, sind wichtig; jedes Kind braucht aber auch eigene Freiräume. Zudem sollten die Eltern dem gesunden Geschwister helfen, mit Besonderheiten umzugehen, die aufgrund der Erkrankung oder Behinderung zustande kommen (z.B. körperliche Veränderungen und Auffälligkeiten oder Besonderheiten im Sozialverhalten des kranken/behinderten Kindes).

Wo findet die Familie Hilfe?

Wenn die Eltern den Eindruck haben, dass Konflikte zwischen den Geschwistern Überhand nehmen oder sie unsicher sind, wie sie ihr gesundes Kind im Umgang mit der Erkrankung oder Behinderung unterstützen sollen, kann der Austausch mit Gleichbetroffenen in einer Selbsthilfegruppe emotionale Entlastung und praktische Hilfe bieten. Es gibt spezielle Geschwisterseminare, zu finden in der Angebots-Suche.

Beratung, Unterstützung und Entlastung findet die Familie auch bei den Beratungsteams der Einrichtungen, die das kranke/behinderte Kind betreuen und versorgen (Lebenshilfe, Diakonie, Caritas, Kliniken etc.) oder in Erziehungs- und Familienberatungsstellen – kommunalen und denen in freier Trägerschaft – die Familien in verschiedenen Lebenslagen und -phasen zur Seite stehen (Adressen unter www.bke.de).

Literatur

Beispiele:
Klar, dass Mama Anne/Ole lieber hat, Kirsten Boie und Silke Brix-Henker (1994)
Geschwisterbande: Liebe, Hass und Solidarität, Katharina Ley, 2007
Verschlungenes – Das Normale im Außergewöhnlichen und das Besondere im Normalen, Marlies Winkelheide, Geest Verlag 2011


Krankheitswissen

Allgemeines

Der Bereich des „Krankheitswissens“ beschreibt das Wissen des Geschwisterkindes über die Erkrankung oder Behinderung seines Bruders oder seiner Schwester. Dazu gehört Wissen über die Erkrankung selbst, aber auch über die Behandlung und Therapie. Ein Mindestmaß an Krankheitswissen ist für das Geschwisterkind hilfreich, um die besondere Lebenslage und die daraus resultierenden Anforderungen verstehen und bewältigen zu können. Besteht in diesem Bereich beim Geschwisterkind ein Defizit, so sollte eine altersgerechte Aufklärung über die Krankheit und deren Behandlung bzw. Therapie sowie mögliche Konsequenzen erfolgen.

Im Gespräch mit den Eltern

Es hilft den Kindern – sowohl den kranken als auch den gesunden Geschwistern –, wenn die Erkrankung oder Behinderung in der Familie kein Tabuthema ist. Es müssen nicht alle Begleiterscheinungen oder potentiellen Risiken ausführlich diskutiert werden, aber alle Familienmitglieder sollten – ihrem Alter und Entwicklungsstand angemessen – ein grundlegendes Wissen über die Erkrankung/Behinderung, Ursachen, Begleitsymptome und die Behandlung haben. Diese Aufklärung kann in Gesprächen mit dem behandelnden Arzt erfolgen oder durch die Eltern selbst, z. B. mithilfe entsprechender Bücher oder Broschüren. Kinder, die schon lesen können, und Jugendliche informieren sich manchmal gern selbst. In diesem Fall sollte darauf geachtet werden, dass das Material altersgerecht ist und ihnen für Rückfragen ein kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung steht.

Wo findet die Familie Hilfe?

Zum Beispiel bei dem behandelnden Arzt des kranken oder behinderten Kindes. Selbsthilfegruppen oder Patientenorganisationen bieten oft Veranstaltungen zur Aufklärung über Erkrankungen und Störungsbilder, z. T. auch speziell für Kinder und Jugendliche (Adressen unter www.nakos.de). Auch die Beratungsteams der Versorgungseinrichtungen (Lebenshilfe, Diakonie, Caritas, Kliniken etc.) sollten bei diesem Thema kompetent weiterhelfen können.

Literatur

Beispiele:
Leo – früh geboren, Daniela Greiner und Mathias Nelle (2007)
Prinz Daniel und seine kranke Schwester Luzie, Deutsche Kinderkrebsstiftung (Bonn)
Die Geschichte von Prinz Seltsam, Silke Schnee, Neufeld Verlag, 2011


Schulkompetenz

Allgemeines

Der Bereich „Schulkompetenz“ beschreibt die Bewältigung schulspezifischer Anforderungen durch das Geschwisterkind. Dazu gehören zum einen Anforderungen, die über Noten und andere schulische Leistungen sichtbar werden. Zum anderen gehören in diesen Bereich Forderungen, die auf das Einhalten von Regeln und Verhaltensnormen sowie den Umgang mit Erwachsenen und Autoritätspersonen abzielen.

Im Gespräch mit den Eltern

Die hohen schulischen Anforderungen führen heute bei immer mehr Schülern zu großem Leistungsdruck. Die besondere Belastungssituation von Familien mit einem kranken oder behinderten Kind kann dazu beitragen, dass das Geschwisterkind mehr auf sich gestellt ist. Schulische Schwierigkeiten allein zu meistern, kann ein Kind überfordern; möglicherweise liegt bei Auffälligkeiten in diesem Bereich aber auch ein anderes grundlegendes Problem wie Legasthenie oder Dyskalkulie vor. Dies sollte vorrangig abgeklärt werden. Ermutigen Sie die Eltern mit dem/der Klassenlehrer/in zu sprechen oder sich vom zuständigen Schulpsychologen oder Schulsozialarbeiter beraten zu lassen.

Versuchen Sie, sich im Gespräch mit den Eltern ein Bild über die Belastung des Kindes im häuslichen Alltag zu machen. Sind die Anforderungen durch Aufgaben im Haushalt oder Verantwortung für das kranke/behinderte Geschwister angemessen hinsichtlich Umfang und Alter des Kindes? Bleibt ihm ausreichend Zeit für die Erledigung der Hausaufgaben und hat es dafür einen ungestörten Platz? Kinder brauchen während der Grundschulzeit (und manchmal auch darüber hinaus) Betreuung bei den Hausaufgaben. Zunehmend wird Hausaufgabenbetreuung von Schulen oder im Hort angeboten. Eventuell braucht das Kind in einzelnen Fächern zudem Nachhilfe.

Wo findet die Familie Hilfe?

Die Diagnose einer Lese-Rechtschreib-Störung oder einer Rechenstörung wird durch Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie gestellt. Adressen erhalten Eltern in speziellen Beratungsstellen oder bei schulpsychologischen Diensten. Die Beantragung der Kostenübernahme kann beim zuständigen Jugendamt erfolgen. Unterstützung bei der Hausaufgabenbetreuung oder Nachhilfe bieten verschiedene kommunale und auch freie Träger an. Kontakte vermitteln die lokalen Schulämter oder finden sich über Suchmaschinen oder Foren im Internet.

 


Familiäre Belastung

Allgemeines

Die „Familiären Belastungen“ beschreiben Probleme innerhalb der Familie, die durch den erhöhten Versorgungsaufwand aufgrund der Erkrankung oder Behinderung eines Kindes entstehen. Dazu gehört die zeitliche Belastung durch das Erledigen einer Vielzahl von Aufgaben. Das Geschwisterkind trägt womöglich ein hohes Maß an Verantwortung und hat viele Aufgaben im Haushalt oder bei der Versorgung des kranken/ behinderten Kindes. Durch den zum Teil hohen Versorgungsaufwand für das kranke oder behinderte Kind können Eltern dem gesunden Geschwister oft weniger Zeit und Aufmerksamkeit schenken, was bei diesem Gefühle von Trauer und Ärger hervorrufen kann. Bei häufigen oder heftigen innerfamiliären Konflikten erlebt das Kind Sorgen um die Zukunft und um den Zusammenhalt der Familie.

Im Gespräch mit den Eltern

Ermutigen Sie die Eltern, über die Erkrankung/Behinderung, den damit einhergehenden Versorgungsaufwand und die erhöhte Belastung altersangemessen offen mit dem Geschwisterkind zu reden. Nur so kann das Kind unvermeidbare Benachteiligungen verstehen und sucht die Gründe nicht bei sich. Überlegen Sie zusammen mit den Eltern, in welcher Form sie mit ihrem gesunden Kind „Exklusiv-Zeit“ verbringen können. Es muss nicht viel sein, aber regelmäßig. Diese Momente ungeteilter elterlicher Aufmerksamkeit sind sehr wertvoll für die Eltern-Kind-Beziehung.

Ein hoher Versorgungsaufwand im Zusammenhang mit einer Erkrankung oder Behinderung fordert von allen Familienmitgliedern die Übernahme von Aufgaben und Verantwortung. Die Eltern sollten aber darauf achten, dass das gesunde Geschwister nicht überfordert wird. Klare Absprachen hinsichtlich der Verteilung und Erfüllung von Aufgaben sollen dem Kind ausreichend Raum und Zeit lassen für eigene Interessen sowie für die zunehmend eigenständige Planung und Gestaltung seines Alltags.

Wo findet die Familie Hilfe?

Wenn die Eltern berichten, dass die besondere Belastungssituation der Familie immer größere und weitreichendere Probleme in den Beziehungen der Familienmitglieder untereinander verursacht, ermutigen Sie die Familie, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Vielleicht können die Großeltern, Freunde oder Nachbarn Unterstützung geben und sie entlasten. Verschiedene Unterstützungs- und Entlastungsleistungen (Haushaltshilfe etc.) können auch bei Sozialversicherungsträgern und Sozialhilfeträgern beantragt werden. Es gehört zu dem Aufgabengebiet z. B. von Erziehungs- und Familienberatungsstellen, kommunalen und denen in freier Trägerschaft, Familien in verschiedenen Lebenslagen und -phasen zu unterstützen (Adressen unter www.bke.de).

Der Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen oder Patientenorganisationen kann ebenfalls emotionale Entlastung und praktische Unterstützung bieten (Adressen unter www.nakos.de).

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