Über zwei Millionen Kinder und Jugendliche wachsen, wie Emil, mit einem schwer chronisch erkrankten oder behinderten Geschwisterkind auf.1
Es ist verständlich, dass sich die Eltern in erster Linie um das kranke Kind kümmern müssen. Gesunde Geschwister erfahren dadurch zum einen häufig weniger Aufmerksamkeit, zum anderen lastet auf ihnen ständig der Druck, funktionieren zu müssen, weil ja das kranke Kind die Familie bereits genügend fordert.
Geschwisterkinder sind durch ihre spezielle Lebenssituation einer Reihe von Belastungen ausgesetzt. Sie sind eine „Population at risk“.2 Dies belegt ein Großteil der bisher durchgeführten Geschwisterstudien. Übersichtsarbeiten3 kommen zu dem Ergebnis, dass bei den gesunden Geschwisterkindern vermehrt emotionale Störungen und Verhaltensprobleme auftreten können. Dazu gehören:
Trotz des potentiellen Risikos wird davon ausgegangen, dass ca. 70 % der Geschwisterkinder gut mit der besonderen Situation zurechtkommen. Viele Geschwister „wachsen“ an ihrer Lebenssituation, rücken in ihrer Familie „näher zusammen“ und erweisen sich als besonders empathisch und sensibel.4
Wichtig:
Insgesamt kann das Risiko für psychische Auffälligkeiten und Störungen bei betroffenen Geschwisterkindern im Vergleich zu Geschwistern nicht erkrankter Kinder 2–3 Mal höher sein und die Belastungen können über mehrere Jahre bestehen bleiben.5
FamilienBande ist eine Stiftung der Novartis-Gruppe Deutschland. Ihr Ziel ist es, gemeinsam mit Wissenschaftlern und Partnern aus dem Gesundheits-, Sozial- und Familienbereich Geschwister von chronisch kranken oder behinderten Kindern in dieser besonderen Familiensituation zu unterstützen.
FamilienBande setzt auf ein Netzwerk von Wissenschaftlern und Praktikern mit Erfahrung in der Sozialpädiatrie und in der Arbeit mit Geschwisterkindern und ihren Familien.
Zentrale wissenschaftliche Partner sind das Institut für Sozialmedizin in der Pädiatrie Augsburg (ISPA) sowie das Institut für Gesundheitsförderung und Versorgungsforschung an der Universität Bochum (IGV). Die Institute entwickeln auf Basis wissenschaftlicher und praktischer Grundlagen die strukturellen Inhalte für FamilienBande. Weiterhin beraten Wissenschaftler und Experten die Stiftung in Fragen der inhaltlichen Entwicklung.
FamilienBande will …
FamilienBande bietet …
Mit den Früherkennungsbogen LARES (röm. Schutzgötter der Familie) können medizinische und psychosoziale Fachkräfte Informationen im Hinblick auf Belastung und Leiden von Geschwistern chronisch kranker oder behinderter Kinder erhalten. LARES Geschwisterkinder ist so konzipiert, dass der spezifische Versorgungsbedarf sichtbar wird.
LARES Geschwisterkinder wurde 2010/2011 vom Institut für Gesundheitsförderung und Versorgungsforschung (IGV Bochum) zusammen mit dem Institut für Sozialmedizin in der Pädiatrie Augsburg (ISPA) entwickelt und validiert. LARES wird seither gezielt weiterentwickelt.
Die Studie hinter LARES
LARES wurde 2010 in einer Studie mit 141 Eltern-Kind-Paaren geprüft. Als Partner beteiligten sich ärztlich, pflegerisch, psychologisch und psychosozial tätige Fachkräfte aus 19 Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens im gesamten Bundesgebiet.
Die Studie konnte bestätigen, dass ein Großteil der Eltern und gesunden Geschwister chronisch kranker bzw. behinderter Kinder trotz eines bestehenden hohen Versorgungsaufwandes einen guten Gesundheitszustand bzw. eine gute Lebensqualität aufweist.
Bei etwa 20 % der gesunden Geschwister zeigen sich mittlere, bei 10 % hohe psychische Belastungen, die in engem Zusammenhang mit dem Versorgungsaufwand in der Familie stehen.
So leiden etwa 27 % der gesunden Geschwister an Problemen und Einschränkungen in ihrer Familie sowie in Schule und Freizeit.
Wichtig:
LARES Geschwisterkinder dient nicht nur der Einschätzung von Leiden und Belastung. Durch die Ergebnisse lassen sich leichter Unterstützungsangebote für die betroffenen Geschwister und ihre Familien finden. LARES bietet außerdem Hilfestellungen für die Beratung und kann als Gesprächsleitfaden genutzt werden.
„LARES Geschwisterkinder“-Mappe
LARES Geschwisterkinder gibt es in zwei Varianten. Zum einen als Mappe in Papierform (auch zum Selbstausdrucken) und zum anderen als digitale Variante für den Computer. Bei der digitalen Variante erfolgt die Auswertung automatisch. Die Fragebogen werden in dieser Version vom Anwender auf den eigenen PC heruntergeladen.
Die LARES-Mappe beinhaltet:
Was wird mit LARES erfragt?
Das Instrument LARES ist unabhängig von der Erkrankung oder Behinderung des Bruders oder der Schwester einsetzbar. Jedoch wirken die Belastungen der Familie direkt und indirekt auch auf das Geschwisterkind. In der Regel sind Ihnen als Fachkraft die Familie und ihre besondere Belastungssituation soweit bekannt, dass Sie die Eltern darauf ansprechen können. Die erste Aufgabe besteht dann darin, für die Geschwister-Thematik generell zu sensibilisieren.
Wie kann ich als Fachkraft das Thema Geschwisterkinder und LARES konkret ansprechen?
Informieren Sie allgemein über die Thematik der Geschwister-kinder (typische Belastungen und Herausforderungen) und welche Besonderheiten sich aus ihrer Situation ergeben können. Fragen Sie im Laufe eines Gesprächs mit den Eltern auch einmal nach dem gesunden Geschwisterkind. Wie kommt es mit der Situation in der Familie zurecht?
Achten Sie darauf, das Geschwisterkind nicht zu pathologisieren, sondern auch auf seine Ressourcen und Stärken einzugehen. Das können z. B. kommunikative und soziale Kompetenzen sein. Machen Sie die Familie darauf aufmerksam, dass es Angebote speziell für Geschwisterkinder gibt. Stellen Sie in den Mittelpunkt, dass gerade der Austausch dieser Kinder mit anderen, die in derselben Lebenslage sind, wichtig ist und hilfreich sein kann.
Stellen Sie LARES als Werkzeug vor, mit dem man sich leichter ein Bild von der Situation des Geschwisterkinds machen kann. Erklären Sie, dass eventuelle Problemfelder aufgedeckt werden können und sich schneller notwendige Hilfe finden lässt.
Regeln für das Ausfüllen der Fragebogen
Wichtig:
Für die Durchführung ist wichtig, dass Eltern und Geschwisterkind getrennt und unabhängig voneinander ihre Fragebogen ausfüllen! Bitte stellen Sie dies sicher. Gerade den Kindern sollte es möglich sein, ihre Angaben ungestört zu machen, ohne Einflussnahme der Eltern.
Die Auswertung erfolgt für den Eltern- und Kinder- bzw. Jugendlichen-Fragebogen getrennt und ist in mehrere Abschnitte aufgeteilt:
Nach dem Download auf Ihren PC übernimmt die digitale Variante von LARES die Auswertung der Fragebogen automatisch für Sie. Jedoch sollten Sie die Auswertung einmal von Hand gemacht haben, um die Zusammenhänge besser zu verstehen.
Im folgenden Kapitel wird die Auswertung Schritt für Schritt besprochen. Für die Auswertung der Fragebogen beinhaltet die LARES Mappe zwei Klarsichtfolien mit der Bezeichnung „Auswertungsschablone“. Diese sind jeweils unterschiedlich für Eltern und Kinder/Jugendliche. Legen Sie die Folien passgenau auf die jeweiligen Fragebogen.
Falls Sie die Fragebogen selbst ausgedruckt haben, müssen Sie lediglich die Antworten der Fragebogen in die Ausdrucke mit der Bezeichnung „Auswertungsschablone“ übertragen.
Wichtig:
Dieses Kapitel gibt Ihnen einen Überblick über die Auswertung der Fragebogen. Ausführliche Informationen und Interpretationshilfen finden Sie in den Fragebogenunterlagen. Darüber hinaus können Sie sich bei Fragen an info@stiftung-familienbande.de wenden.
Schritt 1: Bestimmung der allgemeinen Risikogruppe
Legen Sie sich den Auswertbogen für die allgemeine Risikogruppe zurecht. Lesen Sie nun die Frage 12 zum Leiden [L] von der Auswertungsschablone ab. Liegt beispielsweise das Kreuz im grünen Bereich, sind im Auswertbogen in der Tabelle zur Leidens-Risikogruppe alle drei grünen Felder anzukreuzen. Liegt das Kreuz im gelben bzw. roten Bereich, sind analog dazu im Auswertbogen alle drei gelben bzw. roten Felder zu markieren.
Genauso gehen Sie bei der Belastungsfrage 13 [B] vor. Je nach Farbe, in welcher die Antwort liegt, sind in der Tabelle zur Belastungs-Risikogruppe alle gleichfarbigen Felder anzukreuzen. Diesen Vorgang führen Sie sowohl für die Eltern als auch für die Kinder/Jugendlichen durch.
Nun können Sie die allgemeine Risikogruppe ablesen. Gehen Sie zeilenweise vor. Lesen Sie die Risikogruppe in der Zeile ab, in der zwei Kreuze sind (also eins für Leidens- und eins für Belastungsrisikogruppe). Sie können das Geschwisterkind dann einer der folgenden Belastungsgruppen zuordnen:
• Gruppe I (grün) – geringe Belastung
• Gruppe II (gelb) – mittelgradige Belastung
• Gruppe III (rot) – hochgradige Belastung
Bestimmen Sie im nächsten Schritt, in welchen Bereichen ein spezieller Versorgungsbedarf besteht. Es ist wichtig, diesen zu bestimmen, selbst wenn das Kind im grünen Bereich, also in der Risikogruppe I, liegt. Auch wenn sich das Kind auf den ersten Blick nicht belastet fühlt, kann es einzelne Problembereiche geben, bzw. kann präventiv gehandelt werden.
Schritt 2: Bestimmung des Versorgungsbedarfs in bestimmten Bereichen
Der Bogen enthält Fragen zu fünf verschiedenen Bereichen. Die Antworten dazu geben Aufschluss über den möglichen Versorgungsbedarf des Geschwisterkindes in folgenden Bereichen:
Krankheitswissen (KW)
Der Bereich des „Krankheitswissens“ beschreibt das Wissen des Geschwisterkindes über die Erkrankung oder Behinderung seines Bruders oder seiner Schwester.
Schulkompetenz (SK)
Der Bereich „Schulkompetenz“ beschreibt die Bewältigung schulspezifischer Anforderungen durch das Geschwisterkind.
Geschwisterbeziehung (GB)
Der Bereich der „Geschwisterbeziehung“ beschreibt zum einen die emotionale Beziehung und Bindung zwischen den Geschwistern. Zum anderen gehören zu diesem Bereich auch praktische Erfahrungen im Alltag, wie gemeinsame Aktivitäten, der Umgang der Geschwister miteinander und der interaktive Umgang mit anderen Menschen.
Soziale Integration (SI)
Der Bereich der „Sozialen Integration“ dreht sich um den Aufbau, Erhalt und Ausbau sozialer Beziehungen des Geschwisterkindes zu Gleichaltrigen, aber auch zu erwachsenen Bezugspersonen außerhalb der Familie.
Familiäre Belastung (FB)
Die „Familiären Belastungen“ beschreiben Probleme innerhalb der Familie, die durch den erhöhten Versorgungsaufwand aufgrund der Erkrankung oder Behinderung eines Kindes entstehen.
Tiefergehende Informationen und Hinweise auf Hilfsangebote finden Sie in der LARES-Anleitung.
Übertragung ins Spinnennetz
Legen Sie erneut die Auswertfolie auf den ausgefüllten Fragebogen oder übertragen Sie die Antworten der Fragen mit den Kürzeln SK, SI, GB, KW und FB auf die ausgedruckte Auswertungsschablone (jeweils für Kind oder Jugendlicher und Elternteil).
Übertragen Sie dann die Zahlen in das „Spinnennetz“. Achten Sie dabei auf die getrennten Felder für Kind/Jugendliche(r) und Mutter/Vater. Setzen Sie am besten verschiedene Markierungen, z. B. Kreise (O) für Eltern und Kreuze (X) für das Geschwisterkind.
Wenn Sie alle Antworten übertragen haben, verbinden Sie die Antwortmarkierungen miteinander. So erhalten Sie zwei getrennte Linienzüge für die Eltern (Kreise) und für die Kinder/Jugendlichen (Kreuze). Damit sind die unterschiedlichen Einschätzungen von Geschwisterkind und Eltern ersichtlich.
Nun können Sie direkt sehen, in welchen Risikobereich (grün, gelb oder rot) das Kind in den jeweils spezifischen thematischen Bereichen fällt und welche Versorgungsleistung daher sinnvoll bzw. notwendig erscheint.
Am Rand des „Spinnennetzes“ sind dazu Symbole aufgezeichnet, die jeweils für eine bestimmte Art von Hilfeleistung stehen. Sie finden die gleichen Symbole in der LARES-Anleitung wieder, wo Sie weitere Informationen erhalten, wie dem betroffenen Kind geholfen werden kann.
Wichtig:
Die Kinder sind die „Experten“ in eigener Sache. Beim Elternfragebogen handelt es sich um eine Fremdeinschätzung. Daher ist bei der Interpretation der Ergebnisse auf den Linienzug des Kindes besonders zu achten.
Schritt 3: Zusatzfragen für psychosoziales Fachpersonal
LARES enthält 6 Zusatzfragen (gekennzeichnet mit Z1–Z6) zur genaueren Fundierung der Ergebnisse. Deren Auswertung sollte durch eine psychosoziale oder psychologische Fachkraft vorgenommen werden. Die Antworten auf die Fragen sind bei Bedarf für die Begründung weitergehender Maßnahmen zu verstehen und sind hilfreich für folgende Bereiche:
Auswertung der Zusatzfragen
Für die Auswertung wird ähnlich den bereichsspezifischen Fragen vorgegangen. Zunächst wird die Auswertfolie auf den
jeweiligen Fragebogen gelegt bzw. werden die Werte in die Auswertungsschablone übertragen.
Dann werden die Zusatzfragen Z1 bis Z6 betrachtet. Auf dem Auswertbogen werden die Ausprägungen eingetragen bzw.
Farbbereiche markiert.
Weitere Hilfen zur Interpretation der Antworten finden Sie in der LARES-Anleitung.
Kritische Lebensereignisse
Im Eltern-Fragebogen wird durch die letzte Frage auf kritische Lebensereignisse, unabhängig von der Erkrankung oder Behinderung eines Kindes in der Familie, eingegangen. Das Ergebnis ist in den Auswertbogen zu übertragen und dient der Interpretation der anderen Resultate. Bei kritischen Lebensereignissen ist abzuklären, inwieweit mögliche Belastungen des Geschwisterkindes durch diese verursacht sind und nicht unmittelbar mit dem erhöhten Versorgungsbedarf des erkrankten Kindes im Zusammenhang stehen oder ob dadurch sogar eine höhere Belastung sichtbar wird.
Nach vollständiger Auswertung der Fragebogen von Geschwisterkind und Eltern müssen die Ergebnisse natürlich auch interpretiert werden. Außerdem gilt es die Möglichkeiten der Vernetzung zu finden und damit auch das Beratungsgespräch mit den Eltern vorzubereiten. Dazu müssen Ziele definiert und Hilfsangebote gefunden werden. Dabei ist es wichtig, bestehende Bestrebungen innerhalb der Familie mit einzubeziehen.
In der Anleitung zum Fragebogen (LARES-Anleitung) wird für jeden der spezifischen Belastungsbereiche (SK, SI, GB, KW und FB) eine kurze inhaltliche Beschreibung der Besonderheiten gegeben. Aufgezeigt werden daneben Möglichkeiten zur Vernetzung der Familien zu spezifischen Hilfen und praktische Tipps. Sie finden hier also Grundlagen und Hilfestellungen für das Gespräch mit den Eltern.
Es gibt verschiedene Angebote speziell für Geschwister von kranken oder behinderten Kindern – Anbieter und Adressen finden Sie bundesweit auf der Internetseite:
www.stiftung-familienbande.de
Beratungsgespräche sind individuell
Bitte bedenken Sie, dass die LARES-Anleitung nur Ansatzpunkte aufzeigen kann. Was für die jeweilige Familie und das Kind passend und hilfreich ist, bedarf einer sorgfältigen Analyse aller relevanten Faktoren und muss immer im Einzelfall geprüft werden.
Wichtig:
Es gibt kein Patentrezept für die beste Maßnahme oder das beste Beratungsgespräch. Die Ergebnisse müssen grundsätzlich individuell interpretiert und bearbeitet werden.
Als Hilfestellung für die einzelnen bereichsspezifischen Belastungen des Geschwisterkindes ist eine Vernetzung professioneller und familiärer Hilfen essentiell.
Wichtig:
Es ist wichtig herauszufinden, wie man die Hilfestellungen am besten verzahnen kann. Finden Sie die Prioritäten und klären Sie, ob bereits Maßnahmen existieren, z. B. innerhalb der Familie.
Viele Angebote müssen im direkten Umfeld der Familie gefunden werden, z. B. Sportvereine, einen Therapieplatz oder spezielle Angebote für Geschwisterkinder. Weiterführende Informationen dazu finden Sie hier:
In diesem Kapitel treffen wir Emil wieder. Wir sind ihm und seiner Schwester Maria schon einmal begegnet, am Anfang dieses E-Learnings. Wir wollen uns hier ausführlicher mit seiner Situation beschäftigen. Außerdem bietet Ihnen dieses E-Learning vier weitere Fallbeispiele zum Durcharbeiten mit Schwerpunkt auf anderen Krankheitsbildern und bereichsspezifischen Belastungen.
Zurück zu unserem Emil. Seine Mutter Regina war inzwischen mit Emil beim Kinderarzt, um sich Hilfe für die aktuelle Situation zu holen. In der Praxis wurde ihr erklärt, was LARES leisten kann, und sie war schnell überzeugt, den Test mit Emil zu machen. Beide wurden zeitgleich und unabhängig voneinander befragt. Im nächsten Schritt geht es um die Interpretation der Ergebnisse und die Vorbereitung des Beratungsgesprächs mit den Eltern.
Ein Überblick über Emils Situation
Interpretation der LARES-Ergebnisse als Vorbereitung auf das Elterngespräch
Schauen Sie sich zunächst die ausgefüllten Auswertungsbögen und das Spinnennetz an.
Um das Gespräch mit den Eltern über die Ergebnisse vorzubereiten, können Sie folgende Checkliste zu Hilfe nehmen:
Welcher Risikogruppe wird Emil zugeordnet?
Die Ergebnisse des Fragebogens zeigen einen klaren Beratungs- und Hilfebedarf:
Einschätzung von Emils Mutter: grün
Einschätzung Emil: rot
Da der Fragebogen des Kindes gewichtiger ist, liegt Emil damit in der Risikogruppe III.
An dieser Stelle kann bereits vernetzt werden, z. B. wenn die niedergelassenen Kinderärzte keine zeitlichen Kapazitäten für die ausführliche Beratung haben. Eine psychosoziale Beratung der Einrichtung, die das kranke Kind betreut, könnte beispielsweise die weitere Analyse der LARES-Ergebnisse vornehmen.
Außerdem sollte Emil an speziellen Geschwisterkinderangeboten teilnehmen, um sich auszusprechen und mit betroffenen Kindern auszutauschen, um am Modell zu lernen, wie die anderen Kinder schwierige Situationen meistern. Es ist aber genauso wichtig, dass Emil innerhalb seiner Familie viele Gelegenheiten zum Sprechen (auch über negative Gefühle) und zum Stressabbau bekommt.
Emil liegt in der allgemeinen Risikogruppe III (rot)
Wie gehen Sie das Beratungsgespräch an?
Das Beratungsgespräch steht vor der Tür. Sie wissen, dass bei Emil auf jeden Fall Handlungsbedarf besteht.
Beginnen Sie das Gespräch immer mit Themen, die Ihrer Ansicht nach am wenigsten problematisch sind. Zeigen Sie also zum Beispiel zunächst Wertschätzung dafür, wie viel die Eltern leisten, und heben Sie hervor, was trotz der großen Belastung gut funktioniert: Der Test zeigt eine tolle Geschwisterbeziehung zwischen Maria und Emil!
Die Vernetzung und Empfehlungen sollten schrittweise erfolgen, um die Familie nicht zu überfordern. Bei der Durchführung sollten die Prioritäten der Familie gelten, nur so lässt sich die notwendige Motivation erreichen.
In welchen Bereichen sieht man eine besondere Belastung?
Schauen Sie sich das Spinnennetz an. Bei der Mutter ist in Bezug auf die familiäre Belastung eine Spitze zu sehen. Bei Emil hingegen sind es sogar mehrere. Nur die Geschwisterbeziehung liegt im grünen Bereich. Familiäre Belastung, Soziale Integration und Schulkompetenz befinden sich im gelben Bereich. Das Krankheitswissen ist sogar im roten Bereich!
Wie gehen Sie mit der Diskrepanz zwischen den Aussagen von Emil und seiner Mutter um?
Es ist wichtig, zusammen mit der Mutter und Emil herauszuarbeiten, warum die Wahrnehmung in den verschiedenen Bereichen so unterschiedlich ist. Die Mutter reagiert auf die Diskrepanz zwischen der eigenen Einschätzung und den Empfindungen des Sohnes wahrscheinlich überrascht oder bestürzt.
Bereich Schulkompetenz
Auch im Bereich Schulkompetenz gab es eine Diskrepanz zwischen Emil und seiner Mutter:
Bereich Krankheitswissen
Dieses Ergebnis (rot) zeigt, wie wichtig eine Aussprache über die Erkrankungen von Emils Schwester ist. Hier kann z. B. die Einrichtung, die das kranke Kind betreut, helfen, Emils Fragen kindgerecht zu beantworten. Psychosoziale Einrichtungen und Selbsthilfegruppen verfügen über Literaturlisten für die Aufklärung. Auch FamilienBande bietet eine Literaturliste zum Download.
Bereich Familiäre Belastung
Die Eltern sollten ermuntert werden, Familien unterstützende und entlastende Dienste in Anspruch zu nehmen, um Erholung, Zeit für Gespräche und Unternehmungen allein mit Emil und als Familie zu ermöglichen. Beispiele: lokale Angebote wie die der Behindertenhilfe, der Lebenshilfe oder anderer Familien entlastender Dienste. Darüber hinaus sollte überprüft werden, ob die Aufgaben, die Emil übernehmen muss, altersgerecht sind.
Bereich Soziale Integration
Emil gibt an, manchmal Probleme mit den Klassenkameraden zu haben; er hat aber seiner Familie nichts davon erzählt. Es wäre wichtig zu klären, was für Probleme das sind und aus welchen Gründen Emil nichts davon erzählt. Haben die Probleme mit dem bevorstehenden Schulwechsel zu tun? Oder besteht ein Zusammenhang mit dem Bereich Krankheitswissen: Hat Emil Probleme, die Krankheit seiner Schwester Gleichaltrigen zu erklären?
Zusatzfragen
Im letzten Schritt sollten die Zusatzfragen durch eine psychosoziale oder psychologische Fachkraft ausgewertet werden. Werfen wir einen Blick auf Emils Auswertung:
Zusammenfassung:
Am wichtigsten ist das Gespräch innerhalb der Familie, über die Behinderung und die damit verbundenen Folgen für jeden Einzelnen! Bücher und Filme zu diesem Thema können diese Gespräche unterstützen.
Zeitsprung: Wie geht es Emil nach 6 Monaten?
Emils Familie gewöhnt sich langsam an die Zusatzbelastung Diabetes. Emil hat an einem Geschwisterkinderprogramm mit speziellen Anti-Stress-Seminaren teilgenommen und hat nun keine Kopfschmerzen mehr. Er möchte auch weiterhin an solchen Programmen teilnehmen.
Bereich Krankheitswissen
Emils Eltern lesen mit ihm häufig Bücher über Kinder mit Down-Syndrom oder Diabetes. Dadurch bildete sich, neben der Informationsvermittlung, eine neue Offenheit und Vertrautheit zwischen den Eltern und Emil.
Bereich Familiäre Belastung
Die Eltern reden nun oft mit Emil und erklären ihm, dass sie ihn nicht weniger lieben als Maria. Der Vater unternimmt an
Wochenenden viel mit Emil. Auch seine Mutter hat einen Nachmittag in der Woche nur für Emil reserviert. In dieser Zeit kommt eine Helferin der Lebenshilfe und beschäftigt sich mit Maria.
Bereich Schulkompetenz und Soziale Integration
Das Gespräch mit Emils Klassenlehrerin hat gezeigt, dass seine Probleme nur aus seiner Stresssituation resultierten. Emil erklärte, dass Maria ihn beim Lernen sehr störte. Er wollte sie aber nicht wegschicken, weil sie sonst so traurig würde. Emil konnte sich auch nicht vorstellen, dass er das höhere Lernpensum in dem Gymnasium je schaffen würde. Seine Eltern versicherten ihm, dass er die Schule wieder wechseln dürfe, wenn es ihm zu viel wird. Auch Emils Mutter hat die Schule früher schon einmal gewechselt. Außerdem sorgen seine Eltern nun dafür, dass er möglichst ungestört lernen kann.
Emil bekommt auch Hilfe seitens seiner Tante. Sie holt ihn mehrmals in der Woche von der Schule ab, hilft bei den Hausaufgaben und ist eine Vertrauensperson geworden, mit der Emil seine Sorgen offen besprechen kann.
Die Eltern nahmen übers Internet Kontakt zu anderen Familien auf, die ein Kind mit Down-Syndrom und Diabetes haben. Sie versprechen sich davon weitere Tipps zum Umgang mit der Zusatzbelastung Diabetes.
Hier bieten wir Ihnen vier weitere Fälle mit unterschiedlicher Ausprägung:
Bruder Jan, 13 Jahre alt, leidet an Leukämie (T-ALL = Akute lymphoblastische Leukämie der T-Zellen)
Aktuelle Situation: Die Therapien helfen nicht mehrSchwester Nelya, 5: leidet an Neurodermitis
Aktuelle Situation: Ein neuer Schub nach einer halbjährigen BeschwerdefreiheitSchwester Sarah ist 13, geistig und körperlich behindert. Die Behinderung kam durch einen Ärztefehler bei der Geburt (Kaiserschnitt) zustande.
Kurzeinblick: Geistige und körperliche Behinderung; LARES – Risikogruppe hoch: Kathi rot, Mutter rot; LARES-Bereiche: hauptsächlich Schulkompetenz, Familiäre BelastungZwei Brüder: Zwillinge Paul und Erik, 3 Jahre alt; Paul leidet an Mukoviszidose (zystische Fibrose), Erik ist gesund
Kurzeinblick: Lebensverkürzende Erkrankung; LARES – Risikogruppe hoch: Tim rot, Vater grün; LARES-Bereiche: hauptsächlich Geschwisterbeziehung, Krankheitswissen